Dezember 1997
Die Meisterschaft wird nicht nur auf dem Platz entschieden.
Der Psycho-Kampf geht erst richtig los.
So
richtig glauben kann es immer noch niemand. Sieben Punkte Vorsprung
hat der Aufsteiger Kaiserslautern inzwischen vor Verfolger Bayern
München. Für den Brasilianer Ratinho wird's nun richtig lustig. Auf
die Tabellensituation angesprochen, formuliert er schon fast wie sein
Trainer: „Wir sitzen jetzt oben auf einer Burg und schießen mit
Pfeilen auf die Angreifer. Das ist viel leichter, als wenn du unten
vor den Mauern stehst und versuchst, die Burg zu erobern." Weil
der Kampf zwischen Kaiserslautern und Bayern vor allem ein
Nervenspiel ist, braucht man die richtigen Strategien. Und so wollte
Bayerns Manager Uli Hoeneß die Burgherren vom Betzenberg mit einer
Attacke überfallen. Rechtzeitig vor dem Spitzenspiel hatte er
Kaiserslauterns Trainer Otto Rehhagel miesgemacht. Der Schuß ging
nach hinten los —Bayern verlor 0:2.
Für
Dr. Robert Wieschemann, Kaiserslauterns Aufsichtsratsvorsitzenden,
steckt noch etwas anderes dahinter: „Herr Hoeneß weiß genau, daß
wir momentan in Vertragsverhandlungen mit Otto Rehhagel stehen. Die
Strategie, die hinter dieser unrichtigen, bösartigen und arroganten
Äußerung von Herrn Hoeneß steckt, ist doch klar. Das heißt nichts
anderes als: „Otto, zeig mal, daß du auch einen Weltverein
trainieren kannst und verlasse den FCK.” Hoeneß will damit
erreichen, daß Otto geht und wir so an entscheidender Stelle
geschwächt werden." Wieschemann glaubt jedoch, daß Hoeneß
erneut sein Ziel verfehlen wird: „Die Abteilung Attacke des FC Bayern
kann uns keinen größeren Gefallen tun, als uns ständig zu
attackieren. Das schweißt Mannschaft und Trainer noch mehr zusammen.
Was 1991, als Kaiserslautern Meister wurde, begann, findet jetzt
seine Fortsetzung. Auch damals attackierten die Bayern ständig. Am
Ende zogen sie allerdings den kürzeren.
Wer zeigt diesmal Nerven?
Trainer Otto Rehhagel verhält sich nach der Hoeneß-Attacke
weltmännisch und sagt lediglich: „Ich lache darüber. Das ist nur
Neid und Mißgunst, weil wir oben stehen. Bayerns Führungsmannschaft
hat es doch gar nicht nötig, solche verbalen Fouls zu machen. Das
zeugt von wenig Größe." Eine Warnung schiebt er jedoch
hinterher: „Herr Hoeneß versucht, die Leute gegeneinander
auszuspielen. Wenn er mich noch einmal persönlich angreift, erhält
er die passende Antwort."
Obwohl die Bayern mit sieben Punkten
Rückstand hinterhertraben, haben sie den Kampf um den Titel längst
nicht aufgegeben. Carsten Jancker glaubt: „Für Kaiserslautern ging
alles sehr schnell. Aus der zweiten Liga an die Spitze - jetzt muß
man gucken, ob sie das verkraften
können." Hoeneß: „Kaiserslautern ist noch nicht durch. Im
Winter werden sich unsere Spieler erholen, und dann greifen wir im
Frühjahr wieder richtig an: Matthäus setzt auch auf einen Einbruch
des Konkurrenten: „Wir wissen, wie schwer es ist, jede Woche als
Gejagter anzutreten. Gegen uns hatten sie genaugenommen keine
richtige Torchance. Sie hatten Glück."
Trotz dieser
Verbal-Gefechte will man in Kaiserslautern bereits erkannt haben, wie
bei den Bayern die Nerven sichtbar zucken. Dr. Wieschemann: .,Die
Bayern reklamieren grundsätzlich gegen die Entscheidungen des
Schiedsrichters. Am Betzenberg taten sich vor allem Helmer Matthäus,
Zickler und Scholl hervor - teilweise sogar mit verächtlichen
Handbewegungen hinter dem Rücken des Schiris."
Überhaupt die
Schiedsrichter. Der Bayern-Präsident Franz Beckenhauer meint, daß
vor allem am Betzenberg besonders gute Schiedsrichter gefordert
seien. Das bringt Andreas Brehme auf die Barrikaden: „Die Bayern
beeinflussen auf diesem Wege die Schiedsrichter." Die Folge:
Kaiserslautern hätte in dieser Saison zu Hause trotz einiger
elfmeterreifer Fouls noch keinen Strafstoß bekommen. Wieschemann
ergänzt: „Ich weiß nicht, wie sich die Schiedsrichter auf Dauer
verhalten, wenn sie aus München immer wieder so unter Druck gesetzt
werden."
Beim 1. FC Kaiserslautern geht man davon aus, daß sich die
Bayern beim Psychokampf um den Titel noch einiges einfallen lassen
werden. Dr. Wieschemann: „Als nächstes befürchte ich, daß die
Bayern über ihre Kanäle versuchen, einige unserer Spieler zu
beeinflussen, indem sie locken: .Ihr könnt bald zu uns kommen und
dann ein Riesengehalt kriegen: Wenn die Bayern mit ihrer Geldmaschine
gegen uns antreten, können wir - zumindest vorläufig - noch
nicht mithalten."
J.Coenen /M. Schilling